Haubarg

Die nordfriesische Variante des Gulfhauses ist der ›Haubarg‹

HaubargEine spezielle Form des Bauernhauses, das Gulfhaus, verbreitete sich etwa ab dem 16. Jahrhundert nordöstlich der Elbe, in der Wilstermarsch, als Barghaus und ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts unter dem Einfluss holländischer Bauformen als ›Haubarg‹ fast ausschließlich auf der Halbinsel Eiderstedt (Lorenzen-Schmidt / Ortwin Pelc, a.a.O., Seite 47).

Weite Teile der Bevölkerung waren im Spätmittelalter und ›Früher Neuzeit‹ in der schnell wachsenden, zum ökonomischen Leitsektor sich entwickelnden Land- und Viehwirtschaft als selbständige Bauern, Landarbeiter oder Dienstboten beschäftigt. Größere und höhere Räume mit erweiterten Anforderungen wurden benötigt, Anforderungen, die das traditionelle nordfriesische Langhaus nicht mehr leisten konnte. So entwickelten sich seit dem Ende des Mittelalters unterschiedliche Bauernhaustypen mit teils deutlichen Abweichungen in Grundriss und Konstruktion. Die nordfriesische Variante des Gulfhauses wurde unter dem Einfluss holländischer Architektur von westfriesischen Einwanderern als ›Haubarg‹ auf die Halbinsel Eiderstedt gebracht, die fast ausschließlich in der Marschenlandschaft zwischen Husum und Sankt Peter Ording zu finden ist.

Der Name ›Haubarg‹ bezeichnete ursprünglich einen Ort, an welchem man das ›Heu bergen‹ konnte. Markantes Merkmal des ›Haubargs‹ ist dessen wuchtige Bauweise mit seinen gewaltigen, oft mehr als 15 Meter hohen und meist reetgedeckten, allseitig abgewalmten Dächern. Durch das fast vollständige Fehlen von Dachluken und und anderen Öffnungen in den Dachflächen wird eine stark ruhige Wirkung erreicht. Die seit dem 16. und 17. Jahrhundert bestehende ursprüngliche Bauform, das Gulfhaus (auch: Ostfriesenhaus), fand sich in den Niederlanden, Ostfriesland und den fruchtbaren, als wohlhabend geltenden Marschgebieten der südlichen Nordseeküste.

Zwischen mächtigen Ständern entstand im Zentrum des Hauses ein sogenannter Vierkant, der Gulf (Barg, Vierkant), welcher die Last des gesamten Reetdaches trug, »von der Basis des Hauses bis zum Dachfirst hinauf reichte« (Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt und Ortwin Pelc, a.a.O., Seite 47) und für die Aufbewahrung der Ernte genutzt wurde. Unter seinem monumentalen Dach wurde das Heu gelagert, Mensch und Vieh lebten gleichermaßen unter einem Dach, aber in getrennten Räumen.

Einige Kilometer südwestlich von Husum, in Witzwort, finden wir auf der Halbinsel Eiderstedt den wohl bekanntesten, den sogenannten ›Roten Haubarg‹, dessen offizielles Baujahr mit 1647/1648 angegeben wird. In dem monumental wirkenden Bauernhaus ist heute ein Gastronomiebetrieb sowie ein kleines landwirtschaftliches Museum untergebracht. Der ›Rote Haubarg‹ ist mit seinen 99 Fenstern eines der bekanntesten Bauwerke in Nordfriesland. Seinen Namen erhielt er ursprünglich weges des roten Ziegeldaches, das aufgrund seiner riesigen Dachfläche weithin ins Auge fiel. Rolf Kuschert vertritt die Auffassung, dass Häuser, die sich im fürstlichen Besitz befanden (so verhielt es sich auch mit dem ersten Bau, der sich seit 1605 auf dieser Warft befand und im Besitz der Herzogin Augusta war), dadurch auszeichneten, mit den roten Dachziegeln eingedeckt worden zu sein, die zwar deutlich teurer waren, dafür aber eine größere Sicherheit vor möglichen Bränden boten (vgl. Rolf Kuschert, Der rote Haubarg). Offensichtlich hatte dann der in späteren Jahren errichtete Haubarg ursprünglich noch die roten Ziegel, die, wenn die Chroniken zutreffend sind, nach einem Brand im Jahre 1759 durch Reet ausgetauscht wurden. Das Gebäude selbst ist weiß gestrichen.

© Fotografie | Dieter Johannsen

Literaturverzeichnis

Bildhinweise

  • © Dieter Johannsen – Titel: Der Rote Haubarg aus dem 17. Jahrhundert in Witzwort, auf der Halbinsel Eiderstedt