Die Allerheiligenflut von 1436 gilt als die erste von zahlreichen Allerheiligenfluten
Die Allerheiligenflut 1436, am 1. November, war die erste von zahlreichen Allerheiligenfluten an der Nordseeküste und die erste Allerheiligenflut, die in Nordfriesland schwere Verwüstungen, insbesondere im heutigen Nordstrand anrichtete. Die wenigen, teilweise recht widersprüchlichen Chroniken jener Zeit, die erstmals im deutschsprachigen Raum etwa ab dem 12. Jahrhundert, nämlich mit dem Eintreten der Julianenflut am 17. Februar 1164 vorliegen, gehen von mindestens vier Allerheiligenfluten allein an der nordfriesischen Küste aus. Die Allerheiligenflut 1436 habe sich, so heißt es in eine der vorliegenden Überlieferungen, ab Mitternacht ereignet. Ein anderer Chronist geht davon aus, dass die Katastrophe mit einer Sonnenfinsternis zusammenfiel. Die Sonnenfinsternis habe man, heißt es an anderer Stelle, aber erst am nächsten Tag beobachten können.
Widersprüchlich und deshalb wenig zuverlässig sind auch die Angaben über die Opferzahlen der Allerheiligenflut 1436. In diesem Zusammenhang wird häufig von »neun Stiegen« gesprochen. Eine »Stiege« ist ein altes Zählmaß, das zwanzig Stück entspricht. Hans Egidius berichtet in seinem Buch ›Sturmfluten. Tod und Verderben an der Nordseeküste‹ davon, dass die Ziffer ›neun‹ im Mittelalter eine Art ›heilige Zahl‹ gewesen sei, galt diese doch als ›dreimalige Dreifaltigkeit‹. Im übrigen habe man bei Zahlenangaben, die nicht hinreichend belegt gewesen seien, des öfteren von »neun Stiegen« gesprochen. Dieser Terminus wurde häufiger verwendet, um eine zahlenmäßig zwar unbestimmte Größenordnung zu benennen, aber doch auf eine sehr große Menge an Opferzahlen hinzuwweisen. Was die genaue Benennung der Opferzahlen im Mittelalter angeht, so hatten alle Chronisten jener Zeit große Schwierigkeiten, eine annähernd genaue zahlenmäßige Zuordnung der Opfer vornehmen zu können. Deshalb wurden widersprüchliche Angaben häufiger vorgenommen.
Hans Egidius gibt in seinem Buch ›Sturmfluten. Tod und Verderben an der Nordseeküste‹ zu bedenken, dass es nur wenige Geschichtsschreiber gegeben habe, die auf die Allerheiligenflut 1436 hingewiesen hätten. Insofern sei der Flut von 1436 nicht die Bedeutung beizumessen, die ihr von manchen Chronisten zugewiesen worden sei. In diesem Zusammenhang wird der Chronist Arends erwähnt, der nur in wenigen Zeilen auf den Umstand hingewiesen habe, dass es im Osten im Verlaufe des ganzen Herbstes hindurch heftige Stürme gegeben habe, wie man sie bis dahin nie habe erleben können. Überall seien die Deiche gebrochen und hätten allein in Dithmarschen unermesslichen Schaden angerichtet. Dort seien eine Menge Menschen und Vieh »vom Sturm ins Wasser gewehet« (Egidius, 2003, Seite 60) worden und ertrunken. In Tetenbüll hätten 280 oder 180 Menschen ihr Leben verloren. Das ehemalige Kirchspiel Pellworm sei von Nordstrand abgerissen und mehr als 100 Jahre eine Insel geblieben.
© Fotografie | Dieter Johannsen
Literaturverzeichnis
Abbildung
- © Fotografie | Dieter Johannsen – Titel: Sturmflut im Dagebüller Hafen